Aktuelle Forschungsergebnisse aus den USA bestätigen, dass sich ein Trend entwickelt hat, der mittlerweile auch in Deutschland bemerkbar ist: Eine zunehmende Anzahl von Senioren verwendet Cannabis, insbesondere zur Linderung gesundheitlicher Beschwerden. Ein gewisses Risiko ist dabei jedoch nicht zu unterschätzen, denn oft tun sie dies ohne ärztliche Aufsicht.
Anfang April berichtete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von einem signifikanten Anstieg der Importe von medizinischem Cannabis nach Deutschland. Der Anstieg wird auf das neue Gesetz zur Legalisierung von Cannabis zurückgeführt, das den Zugang erheblich vereinfacht hat. Die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) äußerte die Vermutung, dass insbesondere Freizeitnutzer diese Gelegenheit nutzen, um unkompliziert über Online-Behandlungen ein Privatrezept zu erhalten. Sie spricht von einem potenziellen Missbrauch und plant, die Regelungen zu überarbeiten.
Warum ist der Import von medizinischem Cannabis nach Deutschland gestiegen?
Jakob Manthey, ein Gesundheitswissenschaftler am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg, hatte bereits im Mai 2024, kurz nach der teilweisen Legalisierung, auf die Möglichkeit einer Zunahme hingewiesen.
Dennoch vermittelt er auch eine gewisse Beruhigung. Insgesamt scheint der Anteil der Konsumenten, die Cannabis verwenden, durch die Legalisierung vorerst nicht gestiegen zu sein. Vielmehr wechseln die Leute von illegalen Märkten auf die legale Versorgung mit Medizinal-Cannabis. Zudem könnte ein Teil der gestiegenen Nachfrage tatsächlich auf medizinische Gründe zurückzuführen sein. „Ich schätze, dass mindestens 20 Prozent der Cannabiskonsumenten die Substanz wenigstens teilweise aus medizinischen Gründen nutzen“, betont Manthey.
Welche medizinischen Gründe führen dazu, dass Menschen Cannabis konsumieren?
Eine neue Untersuchung aus den USA zeigt, dass der Anteil der über 65-Jährigen, die Cannabis verwenden, kontinuierlich steigt. Dies geht aus dem National Survey on Drug Use and Health hervor. Während 2021 nur 4,8 Prozent der älteren Bevölkerung angaben, im vergangenen Monat Cannabis konsumiert zu haben, sind es 2023 bereits sieben Prozent. Die Mehrheit dieser Senioren leidet unter chronischen Erkrankungen wie Herzproblemen, Diabetes, Bluthochdruck, Krebs oder COPD.
In Deutschland ist die medizinische Nutzung von Cannabis bereits seit 2017 legal, jedoch sind die Anforderungen dafür sehr hoch. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Behandlung nur, wenn zuvor alle anderen medizinischen Optionen ausgeschöpft wurden und die Patienten erheblich leiden. 2022 veröffentlichte das BfArM die Ergebnisse einer Begleitstudie zur Einführung des Gesetzes, die insgesamt 16.809 Fälle umfasste – was für einen Zeitraum von fünf Jahren nicht sehr viel ist.
Auf der einen Seite zeigte sich vor allem bei älteren Patienten ein reges Interesse. Das Durchschnittsalter betrug 57 Jahre. Über drei Viertel (76,4 Prozent) setzten Cannabis zur Behandlung chronischer Schmerzen ein, zudem auch gegen Spastiken, Appetitlosigkeit und Übelkeit. 14,5 Prozent der Patienten litten an Krebs, während 5,9 Prozent an Multipler Sklerose erkrankt waren. Während viele Patienten von den Wirkstoffen THC und CBD profitierten, verliefen die Behandlungen längst nicht bei allen erfolgreich. Fast ein Drittel der Patienten brach innerhalb eines Jahres die Therapie ab, in 38,5 Prozent dieser Fälle aufgrund fehlender Wirkung.
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit medizinischem Cannabis verbunden?
Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass Cannabis einige Vorteile gegenüber herkömmlichen Medikamenten bietet. Das Risiko einer starken Abhängigkeit scheint deutlich geringer zu sein als bei Opioiden wie Morphium, und tödliche Überdosierungen sind bei Cannabis nicht zu befürchten. Darüber hinaus könnten THC und CBD die Leber weniger schädigen als viele gängige Schmerzmittel. Dennoch bestehen Risiken, da THC, insbesondere in hohen Dosen, psychoaktive Effekte hervorruft.
Diese psychoaktive Wirkung könnte insbesondere für ältere Menschen problematisch sein, warnt die US-Studie. Hohe THC-Dosen können Angststörungen oder sogar Psychosen auslösen. Jakob Manthey weist darauf hin, dass für viele der Zwecke, für die Patienten in Eigenversuchen Cannabis einsetzen, die medizinische Evidenz noch aussteht. Das tatsächliche Risiko ist daher häufig noch nicht ausreichend erforscht.