Prag trägt seit Langem den Beinamen „Amsterdam des Ostens“, was nicht zuletzt an den zahlreichen Shops mit Cannabis-Produkten liegt. Doch entgegen der verbreiteten Annahme war der Konsum bislang nie legal. Nun steuert das Land auf eine Gesetzesänderung zu – mit klaren Auflagen und kontrollierten Rahmenbedingungen.

Während des Wahlkampfs wird der tschechische Premierminister Petr Fiala von der eigenen Parteijugend gefragt, ob er sich vorstellen könne, einen Joint zu rauchen. Fiala, bekannt für seine konservative Haltung, antwortet diplomatisch: „Ich schließe es nicht kategorisch aus. Ich rauche gerne Pfeife, aber Dinge, die meinen Geist vernebeln, mag ich nicht besonders. Dennoch würde ich es abwägen.“ Ein Symbol für den Balanceakt, den seine Regierung mit der neuen Cannabispolitik wagt.

Zwischen Regulierung und Realpolitik

Die tschechische Regierung hat lange um die richtige Strategie gerungen. Ziel war ein vollständig regulierter Markt mit Fachgeschäften, Lizenzen für den Anbau und einem rechtlichen Rahmen, der über das hinausgeht, was Deutschland aktuell plant. Doch dieser ambitionierte Plan geriet ins Stocken. Der zuständige Drogenbeauftragte trat frustriert zurück – zu viele Widerstände, zu wenig Konsens. Das Ergebnis: eine moderate Reform, die nun als Kompromisslösung umgesetzt wird.

Justizminister Pavel Blazek, der mittlerweile nicht mehr im Amt ist, nennt das Ergebnis eine „Entkriminalisierung“: „Drei Jahre lang haben wir verhandelt, um überhaupt zu einer Einigung zu kommen. Jetzt steht immerhin ein breiter politischer Rückhalt hinter der Entscheidung.“

Erlaubter Besitz und Eigenanbau

Ab Januar tritt das neue Gesetz in Kraft. Erwachsene dürfen künftig bis zu drei Cannabispflanzen privat anbauen und maximal 100 Gramm getrocknetes Marihuana zu Hause lagern. Zusätzlich ist es erlaubt, bis zu 25 Gramm in der Öffentlichkeit mit sich zu führen. Wer vier oder fünf Pflanzen besitzt, begeht lediglich eine Ordnungswidrigkeit – keine Straftat.

Die neue Regelung ist eine Weiterentwicklung der liberalen Drogenpolitik, die in Tschechien bereits seit den 1980er-Jahren besteht. Der Besitz geringer Mengen wurde schon seit etwa 15 Jahren lediglich mit einem Bußgeld geahndet – legal war es dennoch nie. Viele Besucher des Landes missverstehen das angesichts der offensichtlichen Präsenz von Cannabisprodukten auf den Straßen.

Kritik von Politik, Medizin und Polizei

Doch nicht alle begrüßen die Gesetzesänderung. Jakub Michalek von der Piratenpartei, der das Projekt ursprünglich mit angestoßen hatte, sieht die jetzige Ausgestaltung kritisch: „Die Reform regelt nicht den Handel. Das lässt den Schwarzmarkt unangetastet und verhindert, dass der Staat von Steuereinnahmen profitieren kann – im Gegensatz zum legalen Zigarettenverkauf.“

Auch aus medizinischer Sicht gibt es Bedenken, besonders hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf junge Konsumenten. Polizeichef Jakub Frydrych äußert sich ebenfalls skeptisch: „Wir haben uns lange gegen eine Legalisierung gewehrt. Doch nachdem Deutschland vorangegangen ist, war unser Spielraum begrenzt. Wir orientieren uns nun an deren Modell – allerdings ohne Cannabis-Clubs, die wir als völkerrechtlich problematisch einstufen.“

Strafrechtsreform als übergeordnetes Ziel

Die Cannabis-Liberalisierung ist Teil eines größeren Reformpakets im Strafrecht. Die überfüllten Gefängnisse sollen entlastet werden. Innerhalb der EU haben nur Polen und Ungarn höhere Inhaftierungsraten. Auch kleinere Delikte wie der Besitz mehrerer Cannabispflanzen konnten bisher drastische Strafen nach sich ziehen – bis zu zwölf Jahre Haft waren möglich. Zum Vergleich: Für Sexualdelikte gab es teils lediglich Bewährungsstrafen. In Zukunft sollen häufiger Geld- statt Freiheitsstrafen verhängt werden – eine Anpassung an westliche Standards.

Pionierarbeit bei psychedelischen Wirkstoffen

Neben Cannabis zeigt sich Tschechien auch in einem anderen Bereich der Drogenpolitik fortschrittlich: In der medizinischen Forschung rund um Psilocybin – dem Wirkstoff in sogenannten „Magic Mushrooms“ – nimmt das Land eine Vorreiterrolle ein. Laut Psychiaterin Dr. Dagmar Stoszkova kann Psilocybin bei schweren Depressionen helfen, insbesondere wenn klassische Antidepressiva versagen. „Es beeinflusst Denkprozesse, Emotionen und Wahrnehmung tiefgreifend“, erklärt sie.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten wirkt Psilocybin oft bereits nach der ersten Anwendung und entfaltet seine Effekte über mehrere Wochen bis Monate. Es gilt als nicht toxisch und führt nicht zur Abhängigkeit – darf aber ausschließlich im therapeutischen Rahmen eingesetzt werden. Ein Trip auf eigene Faust ist also keineswegs legal.

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