Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat eine umfassende Stellungnahme zum aktuellen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit abgegeben, der eine Anpassung des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) vorsieht.

Ausgangslage des Gesetzesvorhabens

Seit dem 1. April 2024 gilt in Deutschland ein neues Gesetz zum regulierten Umgang mit Cannabis (CanG). Damit wurde auch die bisherige rechtliche Grundlage für die medizinische Verwendung von Cannabis grundlegend überarbeitet. Insbesondere wurde medizinisches Cannabis aus dem Anwendungsbereich des Betäubungsmittelrechts herausgelöst und als verschreibungspflichtiges Arzneimittel eingestuft. Seit der Neuregelung ist ein starker Anstieg bei den Importen von Cannabisblüten für medizinische Zwecke zu beobachten: Laut Zahlen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte haben sich die Einfuhren im Vergleich der ersten beiden Halbjahre 2024 um 170 Prozent erhöht.

Parallel dazu haben sich zunehmend telemedizinische Angebote etabliert, über die Patientinnen und Patienten nach dem Ausfüllen von Online-Fragebögen ein Rezept erhalten und die Medikamente über Versandapotheken beziehen können – oft ohne direkten ärztlichen Kontakt oder persönliche Beratung in der Apotheke. Der vorliegende Gesetzentwurf will diesem Trend entgegenwirken und gleichzeitig eine verlässliche Versorgung für schwer erkrankte Menschen sicherstellen.

Zentrale Regelungsvorschläge im Überblick

  1. Verordnung nur nach persönlicher ärztlicher Untersuchung

Künftig soll die Verschreibung von Cannabisblüten nur erfolgen dürfen, wenn ein direkter Kontakt zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin oder Patient stattgefunden hat – entweder in einer Praxis oder im Rahmen eines Hausbesuchs. Reine Online-Sprechstunden sollen für die erstmalige Verschreibung ausgeschlossen sein. Für Folgeverschreibungen ist ein Arztgespräch mindestens einmal pro Jahr vorgesehen. Diese Regelung wird mit den möglichen Nebenwirkungen und Risiken einer Cannabistherapie begründet, die aus Sicht des Gesetzgebers einen persönlichen ärztlichen Kontakt notwendig machen.

  1. Ausschluss des Versandhandels für Cannabisblüten

Ein weiterer Punkt betrifft die Abgabeform: Cannabisblüten zur medizinischen Anwendung sollen nicht mehr per Versandhandel erhältlich sein. Stattdessen wird auf die Bedeutung der persönlichen Beratung durch Apothekerinnen und Apotheker verwiesen. Nur im direkten Gespräch können individuelle Risiken angemessen eingeschätzt und Informationspflichten erfüllt werden. Aus Gründen der Patientensicherheit wird der Versand von Medizinal-Cannabis daher als ungeeignet eingestuft.

Einschätzung der DHS

Die DHS unterstützt die geplanten Maßnahmen im Grundsatz, betont jedoch, dass ein verpflichtender persönlicher Arztkontakt bei der Erstverordnung nicht nur für medizinisches Cannabis, sondern für alle Medikamente mit Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial gelten sollte – etwa auch bei Schlafmitteln, Beruhigungsmitteln oder stark wirksamen Schmerzpräparaten. In der weiteren Behandlung sollte es ärztlicher Einschätzung vorbehalten bleiben, ob und in welchen Abständen persönliche Gespräche notwendig sind.

Bei unsachgemäßer oder fahrlässiger Verschreibungspraxis plädiert die DHS für eine konsequente Kontrolle sowie wirksame Sanktionen. Gleichzeitig hält sie es für denkbar, die Möglichkeit des Versands von Medizinal-Cannabis unter strengen Bedingungen beizubehalten – vorausgesetzt, die ärztliche Betreuung ist gesichert und eine fundierte pharmazeutische Beratung gewährleistet.

Ein besonderes Augenmerk legt die DHS auf problematische Werbepraktiken im Zusammenhang mit medizinischem Cannabis, insbesondere in digitalen Medien. Hier sieht sie Hinweise auf mögliche Umgehungsstrategien und fordert eine Nachschärfung auch im Konsumcannabisgesetz – unter besonderer Berücksichtigung von Verbraucher-, Gesundheits- und Jugendschutz.

Appell an die Politik: Mehr Prävention und Hilfeangebote

Abschließend spricht sich die DHS nachdrücklich für eine stärkere Förderung von Suchtprävention, individueller Beratung, qualifizierter Behandlung und Selbsthilfe aus. Diese Angebote sollten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ausgebaut und dauerhaft abgesichert werden.

Zur Rolle der DHS

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) vereint als Dachverband zahlreiche Organisationen, die sich mit Suchtprävention und Suchthilfe befassen. Gemeinsam bündeln sie ihre Expertise, um bundesweit tragfähige Konzepte und Strukturen für Hilfsangebote zu entwickeln. Menschen mit problematischem Konsumverhalten, Abhängigkeitserkrankungen sowie deren Angehörige finden über die Mitgliedsverbände Unterstützung und Orientierung. 

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