Die Bedenken gegenüber der Verschreibung von Cannabis nehmen zu. Befürworter hingegen warnen davor, dass Patienten möglicherweise in die Illegalität gedrängt werden.
Eine Vielzahl von Online-Plattformen bewirbt die Bestellung von Cannabis mit dem Hinweis auf schnelle und kostengünstige E-Rezepte. Seit der teilweisen Legalisierung von Cannabis im letzten Jahr ist es Patienten möglich, medizinisches Cannabis über das Internet zu beziehen, wenn sie im Besitz eines E-Rezepts sind, welches von Telemedizin-Anbietern digital ausgestellt wird.
Einige Anbieter stellen tatsächlich so schnell E-Rezepte aus, wie sie es versprechen, oft ohne dass eine persönliche Konsultation mit einem Arzt erforderlich ist. Patienten füllen lediglich einen Fragebogen aus, in dem sie ihre Symptome beschreiben (z. B. Schlafprobleme), und können schon nach wenigen Minuten mit einem E-Rezept rechnen. Mit einem solchen Rezept ist es nun möglich, bis zu 100 Gramm Cannabis in den Online-Apotheken zu beziehen. Während dieser Markt boomt, wird die Vorgehensweise von immer mehr Apothekern kritisch gesehen.
Warnung der Apothekerkammer
Die Bundesapothekerkammer hat nun in einem aktuellen Dokument vor leichtfertig ausgestellten Rezepten gewarnt. Laut den Aussagen in dem Papier bieten die standardisierten Fragebögen nur geringen diagnostischen Tiefgang. Eine Verschreibung von Arzneimitteln dürfe sich nicht lediglich zu einem Bestellvorgang wandeln, bei dem das medizinische Fachwissen des Arztes umgangen wird.
Die Apothekerkammer bringt zudem vor, dass die Arzneimittelversorgung über Online-Dienste ohne persönlichen Kontakt die Gesundheit der Patienten gefährde. Insbesondere für beratungsintensive Medikamente wie medizinisches Cannabis sei persönliche Beratung und Verantwortung unerlässlich.
Auch CSU-Politiker Pilsinger bemängelt Vorgehensweise
Unterstützung findet diese Auffassung auch im politischen Raum, etwa durch den CSU-Politiker Stefan Pilsinger, der im Gesundheitsausschuss des Bundestags tätig ist und der Cannabis-Legalisierung grundsätzlich skeptisch gegenübersteht. Er äußert, dass es nicht akzeptabel sei, sich auf Kosten der Krankenkassen zu berauschen. Tatsächlich übernehmen die Krankenkassen unter gewissen Bedingungen die Kosten für medizinisches Cannabis, jedoch müssen viele Patienten auch selbst für die Behandlungskosten aufkommen. Interessanterweise fallen die Preise für legales Cannabis in der Regel unter die des Schwarzmarkts.
Der Markt für digitales Cannabis hat sich verändert, da auch Freizeitnutzer nun vermehrt Gras online kaufen, sofern sie nicht selbst anbauen. Der Bund deutscher Cannabis-Patienten sah im vergangenen Jahr bereits eine Zunahme an sogenannten „Pseudo-Patienten“.
Zweifel über mögliche Missbräuche bei Cannabis-Rezepten werden allerdings von Befürwortern der neuen Regelungen relativiert. Diese betonen, dass medizinisches Cannabis eine bessere Qualität aufweist, als die illegalen Varianten und es sinnvoll sei, auch Personen, die sich als Pseudo-Patienten ausgeben, mit E-Rezepten zu versorgen. Ein Beispiel hierfür ist Finn Age Hänsel, Geschäftsführer der Sanity Group und CDU-Mitglied, der darauf hinweist, dass viele Nutzer des Schwarzmarkts historisch gesehen auch medizinisch versorgt wurden und nun die Möglichkeit der Telemedizin nutzen. Seiner Meinung nach sei es zu kurz gegriffen, dieses Verhalten pauschal als Missbrauch zu kennzeichnen und damit das Thema zu stark zu simplifizieren.